Rede am 1.Mai der JUSO Solothurn
Liebe Genossinnen, liebe Genossen
Wir sprechen heute, wie jedes Jahr über die Arbeitnehmenden und deren Rechte. Uns stören die Ungerechtigkeiten und Missstände, trotz welcher viele tagtäglich ihren Beruf ausüben. Wir sind es auch, die unserer Unzufriedenheit Luft machen und uns trauen, auf den Tisch zu hauen, uns zu beschweren und bessere Bedingungen fordern. Dennoch finde ich, dass ein wichtiges Thema auch hier noch zu wenig zur Sprache gekommen ist.
„I de Lehr muesch undedöre.“ oder „Lehrjahre sind keine Herrenjahre.“
Wer hat diese Sprüche nicht schon gehört? Und diejenigen unter euch, die eine Berufsehre absolviert haben oder noch dabei sind, wissen leider meist ganz genau, wovon ich spreche.
Unser duales Bildungssystem wird oft hoch gelobt und das sogar von rechts bis links. Lehrlinge haben die Möglichkeit ihren Beruf praktisch auszuüben, während sie parallel auch theoretisch ausgebildet werden. Dies ist die Stärke der Schweizer Wirtschaft, sagen auch die Bürgerlichen und sie wissen wieso. Betriebe profitieren nämlich durchaus von ihren Auszubildenden, auch wenn das sehr selten ausgesprochen wird.
Im ersten Lehrjahr besteht etwa 50% der Arbeit eines durchschnittlichen Lehrlings darin, berufsfremde Arbeiten zu erledigen. Das bedeutet beispielsweise, dass eine auszubildende Autolackiererin das Auto ihres Chefs putzen muss oder seiner Freundin beim Umzug hilft. Hierbei handelt es sich um ein wahres Beispiel. Genau so machen die Lehrbetriebe besonders viel Profit: Es ist nämlich viel teurer, eine Reinigungskraft einzustellen, als die Lehrlinge putzen zu lassen.
Erwähnenswert ist auch, dass Lehrlinge im letzten Jahr nur 30% weniger Leistung erbringen als ein Facharbeiter. Die Bezahlung jedoch entspricht einem Bruchteil des Lohnes, der einem Ausgelernten bezahlt wird. Auch werden nicht selten unbezahlte Überstunden oder Wochenendarbeit erzwungen. Dies entspricht einer Rechtsüberschreitung.
Wieso also wehren sich die Lehrlinge nicht?
Leider ist es aktuell sehr schwierig, als Lehrling mit einer Beschwerde wirklich etwas zu erreichen. Das zuständige Berufsbildungsamt bietet Hilfesuchenden ganz offensichtlich zu wenig Hilfe. Oft sind Angehörige der Behörde ehemalige Lehrlingsausbilder und haben mehr Verständnis mit den Betriebsleitern als mit ihren Schützlingen. Dazu kommt, dass viele Auszubildende unter grossen Druck stehen und die Konsequenzen ihrer Kritik fürchten. Sie sind sich ihres Wertes für den Betrieb nicht bewusst, haben zu wenig Selbstvertrauen und beissen deshalb die Zähne zusammen, um ihre Lehre trotz aller Missstände abschliessen zu können.
Deshalb rufe ich euch, liebe Genossinnen und Genossen, zur Solidarität auf. Wir müssen beharrlich bleiben und auch hier, bei den jüngsten Arbeitnehmenden, auf unsere Rechte pochen. Genau deshalb plant die JUSO in diesem Jahr eine Kampagne für die Besserstellung der Lehrlinge. Helft auch ihr mit! Sprecht darüber und werdet laut. Das Thema muss ernstgenommen werden und an Bekanntheit gewinnen. Es darf nämlich nicht sein, dass wir weiter zuschauen, wie Lehrlinge tagtäglich ausgebeutet werden. Denn Lehrjahre sind keine Billigwahre.
14.05.2015